Doch bevor ich euch davon erzähle, möchte ich erst einmal Atem holen.
Möchte den Raum öffnen für das Gewahrsein, die Bewusstwerdung und das Erspüren der Stille. Alles Prozesse, die in den vorigen Wochen und Monaten zu kurz gekommen sind.
Mit 200 Stundenkilometer bin ich durch mein Leben gerast, habe versucht mein Bestes zu geben und möchte heute und hier auch anerkennen, dass es ganz wundervoll ist, was ich zu leisten imstande bin.
Frau sein, Mama sein, Therapeutin sein, Hausfrau sein – es geht alles, wie selbstverständlich und nebenbei.
Schon vor einem Jahr habe ich mir das Ziel gesetzt, diesen Alltagsstress zu beenden. Lieber bewusst eine Sache nach der anderen tun. Lieber mir mehr Zeit für jene Dinge nehmen, die mir tiefe Befriedigung und Freude machen. Und obendrein das Geben und Nehmen in Balance bringen und spüren, wie es um mein inneres Gleichgewicht bestellt ist.
Etwas gelang und etwas war noch nicht vollkommen durch und wollte noch zum Abschluss kommen.
Uralte Ahnen Themen wollten angeschaut werden. Die Frauen, meine Ahninnen, die um zu überleben, das nicht Spüren und die harte Arbeit gewählt hatten. Die am besten unter Stress, Druck und Leistung funktionierten, um sich damit zu etwas unendlich Wichtigem, Königlichem und Weisem empor zu heben.
Meine positive Verknüpfung von Erschöpfung und Befriedigung, es erst dann gut sein zu lassen, wenn ich über meine Grenzen geschuftet, gegeben und für alle gesorgt hatte.
Das alles durfte ich in diesen Tagen nochmals tiefer erkennen.
Wobei dieses Erkennen weniger auf der mentalen, als auf der unmittelbar physischen Ebene des Körperlichen statt fand.
Ein Erkennen, welches noch zu Ende umgesetzt werden will.
Dass nicht die anderen die Bösen sind, die mich mit Überarbeitung, Druck und zu vielen Aufgaben in die Erschöpfung drängen. Sondern, dass ich es selbst bin, die die Erschöpfung manifestiert. Ich selbst, die mir in meinem Alltag solche Menschen und Situationen in mein Leben zieht, die mich anstrengen und an meine Grenzen bringen.
Situationen, wo ich selbst am Rand der Erschöpfung stehe und dann noch meiner Freundin schreibe, ob ich IHR mal mit einer Auszeit etwas Gues tun kann? Situationen in denen ich wieder mehr Termine als nötig in meinen Tagesablauf zwänge, weil es sich „zeitlich ja ausgeht,“ obwohl dazwischen die Zeit zum Atmen fehlt. Situationen, die mir Kopfschmerzen bereiten, damit ich im Kopfschmerz gezwungen bin Ruhe zu geben, obwohl ich mir die Ruhepausen besser präventiv in meiner kopfschmerzfreien Zeit einteilen könnte.
So kommt der Punkt – wie letzte Woche – wo ich aus höherer Ebene etwas manifestiere. Etwas, das vom Verstand her keinen Sinn zu machen scheint. Und trotzdem auf so vielen anderen Ebenen verstanden werden will, weil es genau jene Veränderung mit sich bringt, die im Kern die Liebe trägt. Nämlich die Liebe zu mir selbst.
Gerne stelle ich mir einen Birnbaum vor, unter dem ich mit meinem Schutzengel Tee trinke. Unterm Birnbaum steht ein süßer, mosaikbesetzter Tisch mit schmiedeeisernen Stühlen.
„He.“ ,sagt mein Schutzengel zu mir. „Was hältst du von einem Reset? So einen Aussetzer, so einen Herunterfahrer, einen Totalstillstand?“
Ich überlege, nippe an meiner Teetasse und sage: „Na gut, warum nicht?“
Und so ist es vereinbarte Sache und am Tag danach liege ich auch schon auf der Pritsche vom Rettungsauto. Dankbar dafür einfach nur da liegen zu dürfen, weil ich nicht mehr aufstehen kann. Weil nichts mehr geht und ich langsam hinüber drifte in nebelartige Zustände des „mir ist alles egal.“
Sie bringen mich ins Krankenhaus, ich kollabiere und das nächste was ich sehe ist ein Narkosearzt mit Namen Hubert, der mir Blut abnimmt.
In den Tagen danach werde ich noch viel liegen.
Werde ich noch viel Zeit haben.
Zum nichts tun. Atmen. Essen. Schlafen.
In Wahrheit habe ich das Gefühl, im Nichtstun tut sich sehr viel.
Im Krankenhausbett höre ich das erste Mal den Regen wieder. Spüre den eigenen Atem. Und bin so unendlich dankbar, dass alles gut gegangen ist.
Wenn es einem nicht gut geht, relativiert sich vieles. Der Rhythmus des Lebens hält inne und Zeit und Raum werden zu verschiebbaren Größen.
Es ist meine kleine Wiedergeburt, Reinkarnation mit 35.
Ich bin dankbar: Dankbar dem Leben gegenüber. Dankbar meinen Schutzengeln gegenüber. Dankbar, weil ich einen zweiten Geburtstag bekommen habe. Dankbar den helfenden Händen gegenüber, die mir in diesen Tagen zur Seite standen.
Ich erinnere mich an den Satz einer meiner Lehrerinnen: Die besten Therapeutinnen sind solche, die selbst durch Prozesse des Schmerzes, der Heilung und der Transformation gehen. Und denke mir: Darin bin ich Spezialistin, im durch Transformations Prozesse gehen.
Ich bin den Winkeln, Abzweigungen und Kurven des Lebens immer gefolgt. Wollte in der Tiefe verstehen, woran ich wachsen, woran ich glücklicher, freier und bewusster werden kann.
Manchmal hat es ganze Jahreszyklen gebraucht, ein Thema zu Ende zu integrieren. Manchmal geht es ganz leicht und wir begegnen Menschen, die uns als Seelengefährten helfen, ein Lebensthema abzuschließen.
Oder zu erkennen, worum es im Innersten schon immer ging: Darum, noch mehr zu dem zu werden, was wir in unserer Essenz schon sind. Wundervolle Seelen, die ganz individuelle Aspekte mitgebracht haben, die nur darauf warten als Fähigkeiten und Talente in unser Leben zu fließen.
Und so ist es wenig überraschend, dass ich mir in diesen Stunden des Herumliegens in diesem stillen Krankenhauszimmer, auch immer wieder die Frage stellte:
Was will ich wirklich? Was ist mir in meinem Leben wirklich wichtig?
Momentan bin ich noch dabei diese Fragen zu beantworten. Bin noch mit Kurskorrektur beschäftigt. Und möchte auch weiterhin aufmerksam bleiben, um weitere Richtungsänderung vorzunehmen.
Wenn ich aber jetzt, ganz spontan diese Frage beantworten soll, fallen mir als erstes die Menschen in meinem Leben ein.
Wirklich wichtig sind mir meine Familie, mein Mann und meine Tochter. Wirklich wichtig sind mir meine Eltern, meine Geschwister und meine Freunde. Wirklich wichtig sind mir das Erleben der Natur, die Momente der Stille und das Umsetzen jener Attribute, die mich als Mensch und Seele einzigartig machen.
Mit spürsamen Händen heilsam zu arbeiten. Meine Kommunikationsfähigkeit mit der Geistigen Welt und den Wesen der Natur. Und die Freude, die Leichtigkeit, das Licht und die Liebe zu leben. Was mir auch deshalb gelingt, weil ich so wundervolle Menschen an meiner Seite habe.
Und so werde ich in den nächsten Wochen noch in diesem Zustand der Stille, der Hingabe und Dankbarkeit verweilen. Das zu Ende integrieren, was ich als befriedigte Ruhe bezeichne und Erfüllung aus Zuständen der Entspannung und nicht aus Situationen von Stress oder Überforderung zu beziehen.
Um mich nochmals tiefer auf das auszurichten, was mir wirklich wichtig ist.
Darum bleibe ich jetzt noch ein bisschen Patientin. Bleibe noch ein bisschen liegen und strecke die Beine aus.
Hängematteschaukelnd.
Katzengähnend.
Und werde Tee trinkend dem Frühling beim Grün werden zuschauen.
Recht viel mehr geht gerade eh nicht.
Habt eine gute Zeit.
Eure Carolin Meerle